Was ist WeChat, warum will Trump es blockieren und warum schadet er jedem Apple?
Nach TikTok ist auch die chinesische App WeChat im Visier von Trump. Aber Apple könnte unter anderem die Folgen spüren, während Huawei ein Dritter sein könnte, der lacht.
pascal scherer
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US-Präsident Trump hat in seinem Feldzug gegen China nach Huawei und TikTok den nächsten großen Bösewicht im Reich der Mitte ausgemacht: WeChat. Obwohl uns die App nahezu unbekannt ist, liegt sie hinsichtlich der Nutzerzahlen auf Augenhöhe mit Facebook, Instagram und Co. Trump will die App nun in den USA verbieten. Schaut man sich WeChat genauer an, sind Trumps Behauptungen wohlbegründet. Von Trumps striktem Vorgehen dürfte allerdings vor allem ein amerikanisches Unternehmen betroffen sein: Apple.
Index
Warum will Trump WeChat blockieren?
Was genau ist WeChat?
Was ist falsch an Trumps Überwachungsbehauptungen?
Gibt es Hinweise auf eine Überwachung?
Wann tritt das Verbot in Kraft?
Wie reagiert WeChat-Besitzer Tencent?
Warum kann Apple jetzt Probleme haben?
Gibt es keine andere Lösung für Apple?
Wie bei TikTok und Huawei steht laut US-Regierung die nationale Sicherheit auf dem Spiel. Über WeChat kann die chinesische Regierung Daten von US-Bürgern erhalten und diese missbrauchen. Laut Trump könnten die Informationen unter anderem dazu verwendet werden, Amerikaner zu beschämen oder zu erpressen. Außerdem kann China seine Bürger auch dann noch überwachen, wenn sie sich in den USA aufhalten, was Trump jetzt beenden will.
Warum will Trump WeChat blockieren?
Chinas „böse“ Apps: TikTok und WeChat.Foto: SD
Im Gegensatz zu TikTok ist WeChat in den USA nicht weit verbreitet, sondern wird hauptsächlich von Chinesen genutzt, die sich in den USA aufhalten und mit ihren Familien in Kontakt bleiben möchten. Der Branchendienst Apptopiaschätzendass es in den USA rund 19 Millionen registrierte WeChat-Nutzer gibt.
Was genau ist WeChat?
Für die Chinesen ist WeChat eine unverzichtbare App, eine digitale Lebensader. Zu sagen, WeChat sei das chinesische Pendant zu WhatsApp, Instagram oder Facebook, ist schlichtweg falsch. Stattdessen ist die App WhatsApp, Instagram und Facebook in einem und mehr.
Bild: WeChat
WeChat ist eine Anwendung, die fast alles vereint: nicht nur chatten, sondern auch Geld überweisen, online einkaufen, ein Taxi rufen. Sogar einen Arzttermin kannst du über WeChat buchen, und natürlich kannst du auch deinen Personalausweis in der App anfordern. WeChat vereint alles, wofür es in der westlichen Welt eine eigene App gibt: WhatsApp, Instagram, Snapchat, Uber, PayPal, Google Pay, Twitter, Amazon und, und, und.
Was ist falsch an Trumps Überwachungsbehauptungen?
Weltweit nutzen mehr als eine Milliarde Menschen WeChat, die Mehrheit davon in China. Das Leben ohne WeChat wird immer schwieriger, insbesondere in städtischen Gebieten. Praktisch alles, was in der digitalen Welt passiert, wird in China über WeChat abgewickelt. Die App ist so etwas wie der feuchte Traum eines jeden Überwachungsstaates.
WeChat gehört Tencent, einem der mächtigsten Softwareunternehmen in China.Foto: Winkelstein
Der Vorwurf, dass China die App fleißig nutzt, um seine Follower zu kontrollieren und Informationen vor ihnen zu verbergen,es ist seit Jahren da. Die Kommunistische Partei Chinas muss nicht einmal viel selbst tun, denn Tencent, die Muttergesellschaft von WeChat, erledigt die meiste Arbeit selbst. Das sagt zumindest China-Experte Christian Göbel.Muster.
Der Grund dafür ist einfach: Tencent hat kein Interesse daran, den Staat mit unerwünschten Inhalten zu belästigen. Die WeChat-Überwachung geht so weit, dass sogar Benutzeraußerhalb Chinas überwacht werden. Hier ist Trumps Vorwurf also berechtigt.
Gibt es Hinweise auf eine Überwachung?
Ja, WeChat liefert sogar Daten über seine Nutzung seit 2017.Datenschutz-Bestimmungenüber das. Darin heißt es, dass ein Großteil der Benutzerdaten an die chinesische Regierung übermittelt wird, um geltende Gesetze und Vorschriften einzuhalten. Auch mehrere Journalisten konnten in der Vergangenheit nachweisen, dass chinakritische Inhalte aus der App entfernt wurden. Einer von ihnen ist der BBC-Journalist Stephen McDonell. Drinein Blogbeitrag2019, beschreibt ausführlich, wie sein Konto gesperrt wurde, nachdem er Inhalte gepostet hatte, die China als unangemessen erachtete.
In Kurzform:
McDonell hat einige Fotos von einer Mahnwache in Hongkong gepostet. Die Gedenkfeier sollte an die Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens von 1989 erinnern. Die chinesische Regierung schlug die Studentendemonstration damals brutal nieder.
Platz des Himmlischen Friedens heute. China will derzeit nichts mit der Demonstration zu tun haben.Bild: AP/Xinhua
McDonell postete die Fotos kommentarlos, das heißt, ohne im Text in irgendeiner Weise Hongkong oder Tian'anmen zu erwähnen. Sein Konto wurde jedoch innerhalb weniger Stunden gesperrt. Der Vorwurf: Der Account würde im Verdacht stehen, böswillige Gerüchte zu verbreiten:
"Dieses Konto steht im Verdacht, böswillige Gerüchte zu verbreiten, und wurde vorübergehend gesperrt."
Nachdem die temporäre Sperre abgelaufen war und sich McDonell wieder einloggen konnte, kam die nächste Überraschung: Aus Sicherheitsgründen verlangte die App nun einen Scan seines Gesichts sowie eine Audioaufnahme seiner Stimme. Ist man dazu nicht bereit, ist die App nicht mehr nutzbar, und in Peking, wo McDonell lebt, ist ein Leben ohne WeChat mit unglaublichen Hürden verbunden.
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Wann tritt das Verbot in Kraft?
Donald Trump hat per Executive Order ein WeChat-Verbot für US-Bürger und Unternehmen angeordnet. Er unterzeichnete das Dekret am 7. August, das nach 45 Tagen in Kraft tritt. Neben dem Nutzungsverbot ist es auch untersagt, mit Tencent zusammenzuarbeiten, wenn eine solche Zusammenarbeit WeChat betrifft. Ob Trump das tatsächlich durchsetzen kann und vor allem wie, bleibt unklar. Theoretisch kann ein Gericht immer noch alles kippen. Auch nach Inkrafttreten der Verordnung dürfte es noch einige rechtliche Hürden geben, das Verbot aktiv umzusetzen.
Mehr dazu:
Wie reagiert WeChat-Besitzer Tencent?
Anders als TikTok, das sogar rechtliche Schritte gegen die US-Regierung erwägt, hält sich Tencent vorerst zurück. Wir wollen die Situation prüfen und dann entsprechend reagieren. Wie ByteDance auf TikTok ist Tencent das große Softwareunternehmen hinter WeChat. Im Vergleich zu ByteDance hält Tencent jedoch mehrere Beteiligungen an US-Unternehmen. Darunter auch der Spieleentwickler Epic Games, bekannt durch „Fortnite“ oder „Unreal Tournament“. Das Spielestudio Riot Games, das „League of Legends“ entwickelt, gehört zu 100 Prozent Tencent.
„League of Legends“ ist eines der wichtigsten Spiele für eSports.Bild: EPA
Nun gibt es natürlich erste Befürchtungen, dass auch diese Unternehmen von den Beschränkungen betroffen sein werden. Die US-Regierung hat jedoch ausdrücklich gesagt, dass dies nur WeChat ist.
Warum kann Apple jetzt Probleme haben?
Letztlich könnte auch Apple unter dem Schlagabtausch zwischen Trump und WeChat leiden. In China ist das Apfelgeschäft nicht so wichtig wie anderswo. Dank des hohen Bevölkerungsanteils sind neun Prozent Marktanteil immer noch ein Kundenstamm, den man natürlich nicht verlieren möchte. Die jetzt von Trump unterzeichnete Anordnung verbietet Apple, WeChat oder Weixin, wie es in China genannt wird, auf seinen iPhones vorzuinstallieren.
Apple ist in China immer noch sehr beliebt.Foto: Winkelstein
Während WeChat auf den ersten Blick nur eine App ist, ist ein Telefon ohne WeChat für die breite Masse in China genauso unattraktiv wie ein Huawei-Smartphone ohne Google-Apps in Europa. Problematisch ist für Apple schon, dass die Chinesen aus Solidarität und Misstrauen gegenüber den USA immer mehr Handys lokaler Marken kaufen – allen voran Huawei, das seinen Marktanteil auf rund 60 Prozent steigern konnte. Trotzdem war Apple 2019 der einzige Hersteller unter den Top 5 in China, dem es gelang, seine Verkaufszahlen zweistellig zu steigern. Wenn Apple WeChat wirklich aus dem App Store entfernen würde, wäre das ein großer Rückschlag.
Es würden nicht nur neue iPhones ohne WeChat ausgeliefert, bestehende iPhone-Nutzer würden auch keine Updates mehr erhalten. Ming-Chi Kuo, einer der vertrauenswürdigsten Experten von Apple in Asien, meintMac Gerüchte:
„Da WeChat Kommunikation, Zahlungssysteme, E-Commerce, soziale Software, Newsfeeds und Produktivitätsfunktionen kombiniert, ist es für chinesische Benutzer unerlässlich. Wir glauben, dass die iPhone-Verkäufe in China ohne WeChat zurückgehen werden. Es wird geschätzt, dass die weltweiten iPhone-Lieferungen um 25-30 % zurückgehen werden.
Dies ist natürlich meistens der schlimmste Fall. Im Gegensatz dazu entspricht Apples Marktanteil von 9 % in China dank der riesigen Bevölkerung rund 126 Millionen Menschen. Wenn nur 10 Prozent davon Apple den Rücken kehren, ist das ein grösserer Kundenrückgang als in der Schweiz. Außerdem werden diese Kunden keine zusätzlichen Produkte oder Dienstleistungen mehr kaufen: weder AirPods noch Apple Watch noch iCloud. Laut Kuo könnten auch die Verkäufe von Zubehör um 15-25 % zurückgehen.
Gibt es keine andere Lösung für Apple?
Apple hätte natürlich weiterhin die Möglichkeit, WeChat weiter anzubieten: über eine externe Download-Quelle. Huawei beispielsweise hat in Europa diesen Weg gewählt, um WhatsApp oder Facebook ohne Lizenz von Google auf die Handys zu bringen. Aber im Fall von Huawei haben die letzten Monate auch gezeigt, dass der durchschnittliche Benutzer skeptisch gegenüber Telefonen ist, die Apps nicht offiziell im App Store anbieten können. In Europa: "Kann ich WhatsApp auf Huawei-Telefonen installieren?" ist immer noch eine der Top-Suchanfragen bei Google. Laut Preisvergleichsdienst.Ein IdealDie Nachfrage nach dem P40 Pro ist im Vergleich zum P30 Pro, das noch über Google-Apps verfügte, um das Fünfzehnfache gesunken.
Grafik: ideal
Im Moment ist alles nur Theorie. Müsste Apple allerdings wirklich auf WeChat verzichten, würde sicherlich ein Unternehmen davon profitieren: Huawei. Aus Solidarität kaufen chinesische Kunden Huawei-Handys bereits wie warme Brötchen. Wenn Millionen Chinesen plötzlich ein neues Smartphone wollen, springt Huawei sicher gerne in die Lücke.